„Ich bin hier, als war ich nie weg. Doch ich war weg.“ [19.2.2023]
Ich schaue aus dem Fenster des ICE‘s, der so leise und sanft vor sich hingleitet und sehe die nassen braunen Wälder. Irgendwie macht dieser Anblick mich glücklich. Das nasse Braun löst so viel positives in mir aus, dass es mir fast schon merkwürdig vorkommt. Tja, hier sitze ich nun also. Gestern noch in dem so grünen Tansania mit all den anderen wundertollen Stiftungsmenschen gewesen, vor einem halben Monat noch durch die sandigen Straßen Namibias geschlendert, weitere zwei Monate zurück noch an der Küste Südafrikas gestanden und fast schon zwanghaft versucht mir in all den Steinen, die aus den schaumigen Wellen herausragen, Wale einzubilden. Und während ich mich das letzte halbe Jahr so durch das südliche und schließlich auch östliche Afrika bewegt habe und mir diesen unfassbaren Traum meinerseits, die Welt außerhalb von Europa kennenzulernen, um sie eventuell ein bisschen besser verstehen zu können, erfüllt habe, musste ich neben Dankbarkeit für diese Erfüllung auch feststellen, dass mich Windhoek unglücklich macht. Dass diese Stadt mich unfassbar unwohl fühlen lässt. Da konnten auch die unfassbar tollen und gastfreundlichen Menschen, die mich in Greenwell aufgenommen haben, nichts mehr dran ändern. Denn in eine, dem eigenen Leben so fremde Kultur geschmissen zu werden, und einfach damit klarkommen zu müssen, ohne sich mit gleichsprachigen Menschen vor Ort austauschen zu können, das ist nicht einfach. Das ist sogar sau schwer. Es hat auch nie jemand etwas anderes behauptet, doch trotzdem wurde ich ziemlich unvorbereitet in diese Welt hinein geschmissen. Ich will hier an dieser Stelle gar nicht ins Detail gehen, ich habe unfassbar viel aus Namibia und von den Menschen dort mitgenommen, dennoch habe ich über das halbe Jahr hinweg, das ich dort nun verbracht habe, beschlossen ehrlich zu mir selbst zu sein und mir einzugestehen, dass es im Moment für mich in diesem Land nicht funktioniert. Dass es keinen Sinn ergibt, nur für andere Menschen dort zu bleiben, wenn es sich für mich selbst nicht mehr richtig anfühlt. Und diese Ehrlichkeit zu mir selbst hat mich schließlich dazu gebracht, mich am ersten Februartag ins Flugzeug nach Addis Ababa in Äthophien zu setzen, in dieser Hauptstadt alleine eine Nacht zu verbringen, mich dann weiter auf den Weg nach Tansania zu machen, wo unser Zwischenseminar stattgefunden hat und mich Mira freudestrahlend von Flughafen abholte.
Die darauf folgende Zugfahrt im ICE von Frankfurt nach Braunschweig liegt inzwischen auch schon über zwei Monate zurück und es ist einfach nur verrückt, wie schnell die Zeit vergeht. Nach dem Wiedersehen mit unserem Stiftungsjahrgang in Tansania, welches neben wunderschön auch super absurd und unwirklich war, habe ich ein paar wenige Tage in Braunschweig verbracht, die Zeit dort mit so vielen meiner liebsten Menschen gefüllt und mich dann Anfang März wieder in einen Zug gesetzt. Wieder ein ICE. Doch diesmal in Richtung Basel und nicht der nächste Flughafen war mein Ziel, sondern mein Anschlusszug, der TGV nach Dijon, von wo ich mich schließlich mit Regionalbahn und Bus durch die engen Straßen Frankreichs nach Taizé vorarbeitete. Hier bin ich nun also, kam nach zwölf Stunden in Bewegung im märzgrauen Frankreich an, wurde mit lautem Schreien meines Namens durch Henni hier begrüßt, war super glücklich und zweifelte zeitgleich meine Entscheidung, hier in Taizé den zweiten Teil meines freiwilligen Jahres zu verbringen, direkt mal wieder an. Immerhin war ich hier in einem Kloster gelandet und mir ziemlich unsicher, wie ich zu Religion im allgemeinen und Gott und Jesus im speziellen stand. Was ich zu meinem jetzigen Standpunkt hier sagen kann ist, dass die letzten zwei Monate an diesem Ort hier mal wieder ein absolutes auf und ab waren, doch mit einer so viel glücklicheren Grundlage, was einen gewaltigen Unterschied zu meinem Leben in Windhoek darstellt.
Für meine Erlebnisse hier in Taizé in den letzten zwei Monaten braucht es einen neuen Blogartikel, doch hier schon einmal eine kleine Impression meiner Gedanken hier im inzwischen in einem immer satteren grün erstrahlenden Frankreich, die ich vor ein paar Tagen zu Papier gebracht habe:
„All die schönen alten Steinhäuser mit ihren inneren Gängen, die architektonisch so gar keinen Sinn ergeben und dann passend dazu all die engen Straßen, die sich hinab und hinauf an die Hügel der Landschaft schmiegen und dort, wo keine steinerne Hauswand an ihr steht, von ebenso alten Steinmauern eingeschlossen werden. Und steht man dann hier inmitten dieser menschengemachten Idylle eröffnet sich einem der Blick auf die Felder und Weinberge der hügeligen Bourgogne und ab und zu blitzt einem ein prächtiges Schloss entgegen. Um die französische Idylle noch zu krönen, stehe ich hier in heller Leinenhose, kombiniert mit einem hell gemusterten Hemd und fühle mich wie der Sommer höchstpersönlich, während ich die frische grüne Frühlingsluft voller Pollen tief einatme und mein Herz so unglaublich glücklich wird.“ [1.5.2023]
Und zu guter Letzt ein kleiner bildlicher Eindruck meiner letzten Tage in Windhoek, unseres Zwischenseminars in Tansania, meinem Rückflug nach Deutschland, ein bisschen Schnee in Braunschweig und schließlich der Zugfahrt nach und Ankunft in Taizé :)
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