Turbulente erste Tage im Norden
- Jannik Pischke
- 11. Nov. 2022
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Nov. 2022
Mwa Watokelwapo!
(Guten Abend)
Zeitlich nun etwas mehr als zwei Wochen verschoben, genieße ich den Montag und Dienstag in Windhoek nach dem intensiven Wochenende, um auszuruhen und mich praktischen Dingen, wie einen Sprachkurs wahrnehmen, die nahe Umgebung weiter erkunden und mich mit Lilli treffen, zuzuwenden. Als ich Dienstag schon den Anruf von Joel erhalte, in dem er mir, selber positiv überrascht, offenbart, dass die Unterlagen, die Kanana stempeln sollte, angekommen sind, war ich außer mir vor Freude. Nach dem diese Montag noch nicht vorlagen hatte ich mit einer ähnlichen Farce, wie sie Lilli und Elisa erlebt hatten, gerechnet habe und mich schon auf ein paar weitere Tage in Windhoek eingestellt. Also fuhren Joel und ich noch Dienstag Nachmittag ins Home Affairs und dort klappte dann dieses Mal auch alles und ich hatte mein Visum beantragt und somit war klar ich würde am Mittwochabend mit dem Intercape (ein Reisebus) in den Norden aufbrechen können.
Selbstgemachtes Reis mit pork. Lucie und ich. Bye bye Guesthouse.
Schließlich stand ich mit Joel und Lilli, die mich zum Abschied zum Bus brachten, vor diesem, nach dem in den Stunden vorher alles ganz schön knapp war...so war ich, als Joel zum Abholen kam, gerade noch am Essen und hatte kurz vorher fertig gepackt und sogar noch eine Freundin aus Deutschland, die in Namibia auf Reisen war getroffen. Ja schön dich nochmal gesehen zu haben Lucie! Toll war auch, dass uns Joel beim Warten noch für Weihnachten zu sich einlud. Wenig später ging es dann in den Bus und ich machte mich neben einer netten Frau, die Lust hatte etwas Oshiwambo mit mir zu üben auf den Weg in den Norden nach Ondangwa. Ich genoss die wenigen Minuten, die wir noch bei Licht fuhren und war traurig, dass ich die ganze Landschaft auf dem Weg nach oben nicht zu Gesicht bekommen würde, da die Sonne bereits am Untergehen war. Umso näher wir schließlich Ondangwa kamen, um so euphorischer wurde ich und konnte fast nicht mehr aufhören zu lächeln. Ich freute mich riesig endlich in meine Stelle zu kommen, mein neues Zuhause für die nächsten Wochen und Monate zu sehen und Mr. Nekongo und seine Frau zu treffen.
Nun war es wirklich so weit und ich verabschiedete mich nun Joel und Lilli.
Um 4.50 kam ich schließlich nach 9,5 Stunden Fahrt und ca. der Hälfte an Schlaf in Ondangwa an und fiel wenig später bei Mr. Nekongo ins im Wohnzimmer aufgebaute Feldbeld. Um 6 Uhr kehrte dann schließlich schon Leben ins Haus und an weiter zu schlafen war nicht zu denken, da die Kinder von Nekongo mich in gewisser Weise beobachteten und ich dachte ich mache mich lieber mal mit ihnen vertraut. Mehr oder weniger gut ausgeschlafen ging es so um 7 Uhr schon zu meiner Arbeitsstelle an die Mayfield Private School. Hier schon für mich die erste Überraschung. Anstelle von einer weiterführenden Schule, wie ich es im Voraus verstanden hatte, würde ich also in den nächsten 9 Monaten an einer primary school (Grundschule) arbeiten. Interessant...damit musste ich mich erstmal anfreunden, da ich fest mit weiterführendem Unterricht gerechnet hatte. Dennoch war der erste Tag an der Schule schön, da meine Kolleginnen...jap ich habe nur Kolleginnen, kommt vllt manchen bekannt vor, ich mal wieder als Hahn im Korb...wirklich nett waren und mich gut aufnahmen. Das kurze Gespräch mit der Schulleiterin zeigte, dass ich nach einer Einarbeitungszeit von 1,5 Wochen Mathe, Englisch und Sport unterrichten würde. Dazu wurde angedeutet, dass gute Ideen für die Schule von mir gerne gesehen würden. Weiteres über die Schule, meine Arbeit dort und alles andere in einem extra Blogartikel.

Logo meiner Schule.
Mittags zeigte mir Nekongo meine Bleibe. Das war auch erstmal eine überraschung, da diese ca. 3 km außerhalb der Stadt auf dem Weg zur Schule situiert war. Daraus folgte, dass ich fürs Einkaufen und alles andere mit dem Taxi in die Stadt fahren müsste. Dazu war meine Bleibe, die aus einem großen Raum mit Fenster und Küchenzeile und einem kleinen Bad bestand, noch vollständig unmöbiliert, mit einigem Ungeziefer ausgestattet und auch nicht so sauber. Wenn ich ehrlich bin war das für mich erstmal ein ziemlicher Schock. Erst recht, da ich dann erstmal selber klären musste, ob und welche Sachen, die ich mir kaufen musste, zurückerstattet würden. Mittlerweile fast 2 Wochen später kann ich aber spoilern, dass ich mich gut eingelebt, die Bleibe eingerichtet und so gut es ging geputzt habe und mich auch nun dort wohl fühle. Spannend wird es in der kommenden Zeit für mich jeden Tag selber zu kochen, da ich kein Essen an der Schule bekomme, und die restlichen Haushaltstätigkeiten zu machen sowie sich an den neuen Zustand ganz alleine zu leben zu gewöhnen. Bis jetzt bin ich zwar schon daran gewöhnt wöchentlich im Haushalt zu helfen, aber ihn komplett selber zu schmeißen kenne ich noch nicht. Ich freue mich auf die Herausforderung, dass zu lernen und muss auch zugeben, dass die eigenen vier Wände zu haben und sich um diese zu kümmern sich irgendwie gut anfühlt und ich auch stolz auf sie bin.

Meine Bleibe nach dem ersten Einkauf mit Bett.
Freitag begebe ich mich also nach der ersten Nacht in der noch sehr kahlen eigenen Bleibe mit dem Schulbus um 7 Uhr auf den Weg in die Schule. Von nun an wird mich der Schulbus jeden Morgen um diese Zeit abholen und mich immer nachmittags gegen 14.30 wieder zurückbringen. Wie für die nächsten 1,5 Wochen geplant begebe ich mich in den Raum der 4. Klasse, um dort den Unterricht zu beobachten. Doch wenig später holt mich die Sekretärin und teilt mir mit, dass die Polizei aus Oshakati (nächste größere Stadt ca. 40 min entfernt) da sei, um mit mir zu sprechen. Ich wusste nicht ganz was ich davon halten sollte, dachte mir aber, dass es wohl was mit meinem Visum zu tun haben müsste, welches ich drei Tage vorher beantragt hatte. Ich möchte hier jetzt gar nicht zu weit ins Detail gehen, aber aufjedenfall folgte eine sehr unangenehme Befragung. Ich wurde aufgefordert jegliche persönliche Informationen preiszugeben und fühlte mich dabei aber sehr unwohl, weil sich die Personen weder ausgewiesen, sich vorgestellt noch ihr Anliegen erklärt hatten. Das Einzige was sie hatten und was mich dazu brachte Rede und Antwort zu stehen, war das Invitation letter, welches wir von Kanana bekommen hatten, um das Visum zu beantragen. Sie wollten dann unter anderem meinen Reisepass sehen, eine Kopie davon machen, Bilder von mir machen, wissen ob ich meinen Führerschein dabei habe und ob ich ein Bankkonto bei einer namibischen Bank hätte.
Dazu wurden auch sehr komische Fragen gestellt, wie u.a. was ich gerne mag, wer meine Freunde sind und ob ich eher introvertiert oder extrovertiert bin. Für mich fühlte sich das ganze nur so an, als würden sie einfach nur schnell alle meine Daten einsaugen wollen. Auf meine Frage, was das alles soll, wurde ausweichend geantwortet und mir wurde gesagt, ich müsse nicht besorgt sein und da daraufhin die Sekretärin auch nichts unternahm beantwortete ich weiter die Fragen. Später als die Personen weg waren, merkte ich wie sketchy das ganze gewesen war und konsultierte Nekongo und Kanana, welche beide ebenfalls meinten, dass das seltsam gewesen sei und bis jetzt noch nicht vorgekommen ist. Aufgrund dessen, dass es schon Freitag Nachmittag war, könnte die Angelegenheit und damit, ob die beiden Personen wirklich Beamte sind, erst am Montag geklärt werden. Auch meine Vertrauenspersonen hier waren sich nicht absolut sicher, ob das ganze rechtmäßig war, auch wenn es schon deutlich wahrscheinlicher war. Das reichte leider nicht um meinen Verstand zu beruhigen. So brachten mich das und die ganze schwierige Startsituation mit der Bleibe gleich in die erste Krise, da mir meine Fantasie am Wochenende anfing alle möglichen negativen Szenarien vorzuspielen, die aus einem ausgeklügelten Raub meiner persönlichen Daten entwachsen könnten. Somit hoffte ich in tiefer Sorge das ganze Wochenende auf den Montag und die Aufklärung des komischen Besuchs am Freitag.
Am Montag klärte sich zum Glück dann alles zum Guten auf und ich bekam eine persönliche Entschuldigung des Supervisors der beiden Beamten für deren grauenhaftes Vorgehen. Es sei eine neue Praxis des Ministry of Home Affairs, die allem Anschein nach noch reichlich geübt werden musste. Trotz dessen weiterhin seltsam, dass ich an meinem zweiten Tag als einer einziger der Voluntäre hier konsultiert werde. Naja nichts desto trotz konnte nun der Druck und die Last von den Schultern abfallen und ich brauchte mir auch keine Vorwürfe mehr machen, dass ich nicht nach meinem Bauchgefühl gehandelt und die Daten preisgegeben hatte. Jetzt konnte ich mich den Herausforderungen mit der Bleibe und der Stelle wieder mit meiner eigentlich sehr optimistischen Art stellen, die unter dem Vorfall komplett verloren gegangen war. Ich hatte echt schreckliche Gedanken, die ich hier gar nicht äußern möchte. Aufjedenfall heftig wie einen eine Sache so von seiner eigentlichen Art und Positivtät entkoppeln kann. Das war schon ein wirklich saftiges Training in Sachen Resilienz und dazu auch eine wahrhaftige life lesson. Nun kann ich über das alles Schmunzeln und habe gelernt, ja hier in einem fremden ist man mitunter auch Mal nicht selbstständig und muss sich dringend Hilfe anfordern, sobald man in Situationen kommt, die man nicht alleine händeln kann.
Ui jetzt habe ich bei der ganzen Aufregung um den besagten Freitag ganz vergessen zu schildern, dass ich am Wochenende was cooles erlebt habe und dass ich so eine tolle, überlebenswichtige Ablenkung hatte. Denn Mr. Nekongo und seine Familie haben mich am Samstag mit auf den Geburtstag seiner Tante in ihrem Village genommen, wo wir lecker gegessen und etwas gefeiert haben. Es war super spannend ein traditionelles namibisches Village zu sehen und einige weitere traditionelle Sachen zu kosten. Übrigens ein Village hier ist ein durch Zäune oder Mauern abgesteckter Bereich auf einem riesigen Grundstück auf dem mehrere Häuser stehen, in denen ausschließlich Familie wohnt. Viehzucht und Landwirtschaft zur Regenzeit sind wichtige Bestandteile für so ein Village. Fast jeder, der den Ovambos angehört, ist aus so einem Village und bezeichnet solch eins als sein Zuhause. Auch wenn oft als zweites Zuhause, weil alle die arbeiten gehen nicht in ihrem Village leben. Auch cool an dem Wochenende war der erste Ride auf der Ladefläche eines Pick-Ups, etwas das hier Gang und Gebe ist und auch ich noch öfter machen werde. Auf der einen Seite wurde ich zwar auf dem Trip für mein Oshiwambo gelobt, aber auf der anderen Seite zeigte mir dieser auch, dass ich eigentlich noch fast gar nichts kann und gab mir Motivation weiter zu lernen, damit ich eines Tages die Gesrpäche der Leute verstehe und mitreden kann.
Links das Geburtstagskind, ein Onkel und ich. Mitte das sehr leckere Essen mit unter anderem traditionellen Hühnchen und Beef von eigenen Rindern. Rechts ich auf der Ladefläche des Pickups.
Die ersten beiden Bilder zeigen das Village der Tante und das letzte dessen Kühe.
Das Village liegt übrigens in der Kalahari...somit war ich jetzt offiziel in meiner ersten Wüste. :)
In den sicher bald folgenden Blogeinträgen könnt ihr euch auf deutlich positivere Dinge freuen. Es wird um mein Einleben hier gehen sowie meine Stelle und was sich so für Dinge ergeben und wie ein typischer Tag für mich hier abläuft.
Liebe Grüße an alle, die es bis hier schaffen! :)
Hatu limonene!
(Bis später!)
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