Tansania - Wir sind auch noch dabei
- Mira Pischke
- 14. Nov. 2022
- 4 Min. Lesezeit
„Hallöchen“,
diese Begrüßung habe ich heute schon mehrfach von den Schülern der Agape School zugerufen bekommen. Im wöchentlichen Unterricht lernen die deutsch-motivierten Schüler natürlich nur die wichtigsten Sachen.
Dies als kleiner Einblick in mein Leben hier in meiner Stelle. Doch nun zunächst: Throwback.
Am 15. September bin ich um 11:55 zusammen mit Anna und Charlotte voller Vorfreude, aber mit auch ein paar Bedenken in das Flugzeug am Hannover Airport eingestiegen. Mit einem Zwischenstopp in Istanbul sind wir nach einer langen Flugreise, inklusive Sonnenuntergang und dem Erblicken der Kili-Spitze über den Wolken, nachts um 1:30 am Kilimanjaro Airport angekommen. Von dort wurden wir zu unserem Zuhause für die nächsten zwei Wochen gefahren – das Umoja Hostel in Moshi.
Moshi ist eine kleine Stadt direkt am Fuße des Kilimajaro, die wir in unserer ersten Woche in Tansania mithilfe unserer Sprachlehrerin Shaile und anderen Bekanntschaften entdecken durften. Ich würde Moshi durch den anhaltenden Lärmpegel und den unkoordinierten Trubel/Straßenverkehr zunächst als Reizüberflutung beschreiben. Dennoch haben wir schnell gelernt, uns zurecht zu finden, auf dem Markt an der Straße Obst und Gemüse zu kaufen und ein paar gebrochene Unterhaltungen auf der Sprache des Landes – Kisuaheli - zu führen. Unter anderem durch die herzliche Begegnungen mit tollen Menschen und durch neue leckere Geschmackseindrücke, habe ich die Zeit in Moshi zusammen mit Anna und Charlotte in schöner Erinnerung. Ein Einschnitt war dann aber die zweite Woche, in der wir uns mit hohem Fieber, Schüttelfrost und Magen-Darm in unseren Betten wälzen mussten. Nach diesem Schreck, aber unserer darauffolgenden Genesung ging es nun direkt in unsere Stellen, da unser Visumsprozess gut voran schritt.
Also ging es für mich mit einer holprigen Jeepfahrt am 30. September 2022 zu der Agape Lutheran Junior Seminary School in der Nähe von Marangu (ca. 1,5 Stunden von Moshi entfernt). Die ersten Tage hier in meiner Stelle stellten unter verschiedenen Gesichtspunkten zunächst einen Kontrast zu meiner Zeit in Moshi dar und haben mich herausgefordert. Ich war zum ersten mal in Tansania ganz auf mich alleine gestellt – direkter Austausch mit meinen Mitreisenden war nicht mehr in greifbarer Nähe, wodurch auch die Verständigung verändert war. Während ich mich in Moshi noch viel auf Deutsch und Englisch unterhalten konnte, stellte ich fest, dass ich in den ersten Tagen in Agape nur selten verstand, worum es eigentlich ging. Mir wurde mein Fremdsein sehr bewusst gemacht. In Moshi hatten wir unsere Kontaktpersonen und jeder Tag hatte irgendeinen Plan oder Sinn. Hier brauchte ich erst mal eine Weile und mehrere klärende Gespräche, um meinen Sinn und meinen Platz in Agape zu finden. Obwohl ich mir dieser Situation, der wir uns aussetzen, schon in Deutschland bewusst gewesen war, erlebte ich es als eine Challenge, bei der mein Durchhaltevermögen und Eigeninitiative getestet wurde.
Nach ein paar Tagen stieß ich aber auf gute Unterhaltungen beim Abendessen, Bestätigung von Lehrern ihren Unterricht übernehmen zu dürfen und die Arbeit in der Bäckerei. Außerdem verstand ich mich direkt gut mit meiner Zimmergenossin Upendo. Das Einbüßen von Teilen der Privatsphäre hatten wir schon in Moshi im Mehrbettzimmer geübt, sodass ich mich hier in unserem Zimmer schnell einleben konnte. Wir leben direkt zwischen den Zimmern der Schüler in den Dormitories, da Upendo die Matron für die Mädchen ist und somit bei Anliegen, Sorgen und der täglichen Routine der Schüler die
Verantwortungs- und Kontaktperson darstellt. Bei abendlichen Kochsessions in der provisorischen Küche tauschen wir in freudiger lustiger Stimmung Geschichten, Musik und Vokabeln aus und schmiedeten bereits coole Urlaubspläne. Über die Unbeständigkeit des Vorhandenseins von Strom und fließend Wasser (nach einer Woche ohne Wasser kamen wir dann doch schon mal an unsere Grenzen) können wir uns gemeinsam aufregen, aber auch händelbare Lösungen finden. Es ist sehr angenehm, Upendo als meine Zimmergenossin zu haben und ich freue mich, dass wir uns so gut verstehen und unser Zusammenleben funktioniert.
Langsam aber sicher fand ich immer mehr Möglichkeiten, mich in der Community der Agape School einzubringen. Im „Geography“ und Englisch Unterricht bei den Klassen Form 1 alpha und Form 1 A, die jeweils aus 45 Schülern in dem Durchschnittsalter von 13 Jahren bestehen, finde ich Freude an den Unterrichtsinhalten, dem Konzipieren der Stunden und natürlich dem tatsächlichen Unterricht, in dem ich das ein oder andere Mal aber auch schon vor Herausforderungen, wie der unterschiedlichen Handhabung des Unterrichts sowie der Bestrafung gestellt wurde.
Die Schüler habe ich bereits lieb gewonnen. Ob im Unterricht, beim Uno spielen mit Musikhören oder bei Sportspielen, die meisten Schüler sind interessiert und freudig mit dabei.
Viele Stunden in der Woche verbringe ich in der Bäckerei bei Mama Mchungaji, Mama Alice und dem Supervisor Mawi. Tagtäglich werden für die 500 Schüler Brote gebacken und zusätzlich andere Köstlichkeiten, wie Cookies, „Bagia“ und „Tambi“, welche in dem schuleigenen Shop zum Verkauf bereit stehen. Obwohl meine Arme nach den ersten Tagen des Brote-Formens ziemlichen Muskelkater zu spüren bekommen haben, bin ich immer gerne in der Bäckerei, quatsche mit den Mamas während wir tansanische Musik (auch Country Musik ist hoch im Kurs) hören und nasche zwischendurch natürlich auch. Viele neue Rezepte habe ich schon von den Mamas gelernt, aber auch selber Neues eingeführt. Beispielsweise haben wir mit Anna zusammen in der Bakery - passend zur in Deutschland vorherrschenden Herbstzeit - Zimtschnecken gebacken und später anlässlich eines Geburtstages einen köstlichen Zitronenkuchen. Beim gemeinsamen Backen und Kochen entsteht hier eine familiäre Stimmung und die Bäckerei stellt für mich eindeutig einen Wohlfühlort in Agape dar. Als „Manka Mira“(sw. Tochter) wurde ich schon mehr oder weniger offiziell in die Bäckerei-Familie aufgenommen.
Am Nachmittag widme ich meine Zeit oft dem Wäsche waschen, Kisuaheli lernen, nach Deutschland telefonieren oder auf der Sportwiese meine Runden Laufen. Der Compound der Agape Schule ist sehr grün mit vielen Bäumen und Sträuchern und durch die erhöhte Lage lassen sich tags der beeindruckende Kili und abends der Sonnenuntergang wunderbar beobachten. Ab und zu laufen einem dabei Kühe des schuleigenen „Hofes“ auf dem Agape-Gelände über den Weg.
Die Wochenenden verbringe ich entweder am Machame Hospital, welches ca. eine 2,5 Stunden Fahrt mit Motorrad und in überfüllten „DallaDallas“ entfernt liegt, oder an der Schule, inklusive Baking Class für die jüngsten Schüler und stundenlangem Sonntagsgottesdienst (mit der Deutschland-Hymne als tansanischer Kirchensong?).
In Machame tut mir der Austausch und das Deutsch-Sprechen mit meinen Mitreisenden und auch die dortige Ruhe sehr gut und bieten einen tollen Ausgleich.
Insgesamt fühle ich mich nach den ersten Wochen hier sehr wohl in Tansania und besonders in meiner Stelle. Ich fühle mich gut aufgehoben und habe Menschen kennengelernt, die ich mag und mit denen schon Ausflüge und Events für die nächsten Wochen geplant sind. Davon zu einem späteren Zeitpunkt mehr! Kwa Heri
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