Sieben Monate lebe ich nun schon in England. Da es sich um ein europäisches (wenn auch nicht mehr EU- :D ) Land handelt, ist die Kultur sicherlich ähnlicher zu Deutschland als bei einigen anderen Einsatzstellen in denen Freiwillige arbeiten. Trotzdem gibt es natürlich einige Unterschiede. In diesem Blog soll es deshalb nicht um meine Arbeit oder einen Ausflug gehen, sondern um das Land und die Kultur. Zu einigen der Fakten wurde ich immer wieder gefragt und andere sind einfach witzige Kleinigkeiten, die mir hier aufgefallen sind. Los geht’s…
1. Tea Time! Wenn man an die englische Kultur denkt, fällt vielen sofort der Tee ein. Das Ganze läuft aber ein bisschen anders ab, als ich das früher immer dachte. Gelernt haben wir in der Schule, dass es „Breakfast“ (Frühstück), „Lunch“ (Mittagessen) und „Dinner“ (Abendessen) gibt. Hier in Nordengland wird das Mittagessen jedoch schon „Dinner“ genannt und das Abendessen dann „Tea“. Ich weiß, ganz schön verwirrend. Wann ist dann aber „tea time“? Grundsätzlich den ganzen Tag über :). Das so ziemlich erste neue und wichtigste Wort überhaupt, was ich gelernt habe, ist „Brew“. Das bezeichnet ein heißes Getränk, also Tee oder Kaffee. Wo man auch hingeht: „Do you want a brew?“, also „Willst du was trinken?“, wird immer gefragt. Wenn man das bejaht, muss die zweite Frage gestellt werden. Zucker und Milch? Meistens wird schwarzer Tee mit ganz schön viel Zucker und ein bisschen Milch getrunken.
Auf Arbeit immer dabei...
2. Bleiben wir doch mal beim Essen und bei den bekanntesten Klischees über England: den Fish and Chips. Es zählt hier zu dem beliebtesten Fastfood und besteht, wie der Name schon sagt, aus frittiertem Fisch und Pommes. Als vegetarische Variante findet man Halloumi und Pommes, was übrigens auch sehr empfehlenswert ist. Läuft man an der Promenade entlang, findet man massenweise kleine Imbisse bis hin zu großen Restaurants, die das Gericht anbieten. Auch bei uns auf Arbeit in der Base, steht es etwa wöchentlich auf dem Speiseplan. Ich muss ehrlich sagen, irgendwann kann man es nicht mehr sehen, genauso wie…
Halloumi and Chips
3. Full English Breakfast. Das ist etwas, auf das viele Engländer ziemlich stolz sind. Im Shelter haben wir angefangen, täglich Frühstück zubereiten und so erlebe ich hautnah das typische englische Frühstück. Immer dabei sind gebratener Schinken und Würstchen, was mit viel Ketchup und Mayo und Toast als eine Art Frühstücksburger gegessen werden kann. Am Wochenende wird dann ganz groß aufgefahren und es kommen Rührei, Pilze und natürlich Baked Beans dazu. Ich muss sagen, es ist wirklich ein sehr deftiges Frühstück und von Zeit zu Zeit mal ganz lecker, aber ich könnte es wirklich nicht jeden Tag essen. Was viele Engländer aber definitiv jeden Tag essen, sind die Baked Beans. Diese Bohnen kann man anscheinend zum Frühstück, zum Mittag mit Ofenkartoffeln oder Käsetoast oder zum Abendessen als Beilage essen. Ich habe durch meine Arbeit vorwiegend mit einer bestimmten Altersgruppe und sozialen Gruppe zu tun, aber da kann man schon sagen, dass diese noch nicht viel über Fleischkonsum oder gesunde Ernährung aufgeklärt ist.
Da sind sie, die Baked Beans
Frühstück im Shelter
Hier noch mal ein vorne Frückstücksburger, hinten ein Frühstück mit sogenannten Hash Browns (Kartoffelecken), nicht zu verwechseln mit Hash Brownies
4. Okay, genug vom Essen, kommen wir nun zu einem ganz kurzen Fakt: Wenn man aus dem Bus aussteigt, bedankt man sich beim Busfahrer. Jeder einzelne Fahrgast, der aussteigt, sagt ein kurzes „Thank you“ oder „Cheers“ (um „Danke“ zu sagen). Ich finde, das ist eine sehr schöne Geste, die wir definitiv übernehmen könnten.
5. Eine weitere Besonderheit ist, dass keine Feier ohne den Song „Sweet Caroline“ von Neil Diamond stattfindet. Egal ob Pub oder Ball, dieses Lied ist wird immer gespielt, alle singen mit und die Stimmung steigt von 0 auf 100 in kürzester Zeit.
6. Peace oder Fuck off? Vorsicht an alle Menschen, die gerne Peace-Zeichen zeigen. Dafür hält man ja bekanntlich den Zeige- und Mittelfinger hoch. Aber habt ihr mal darauf geachtet in welche Richtung eure Hand zeigt? Nach ein paar Wochen wurde ich mal darüber aufgeklärt, dass wenn die Handaußenseite zum Körper zeigt, heißt es „Peace“ (also „Frieden“), zeigt sie vom Körper weg, heißt es „Fuck off“ (sowas wie „Verpiss dich“). Gut zu wissen.
7. Wie ist eigentlich der nordenglische Dialekt? Ich muss sagen, mit dem Dialekt aus Blackpool komme ich ganz gut klar. Ja natürlich, man kennt den „Bottle of water“- Witz, der sich darüber lustig macht, dass das „t“ nicht betont wird (sie sprechen es also „Bole of waer“ aus), aber daran gewöhnt man sich schnell.Man fragt dann nicht mehr „What?“, sondern eben „Wha“? Ansonsten startet man immer ganz gut mit einem „You alright?“ („Bist du okay?“), was aber eher nur aus Höflichkeit zum Start gesagt wird. Man antwortet in diesem Fall also nicht, wie es einem wirklich geht, sondern eben nur kurz „Yeah, thanks, you?“. Was man auch beachten muss ist, dass ich viel mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zusammenarbeite. Das heißt, wenn ich etwas nicht verstehe, kann das neben dem Dialekt auch am Jugendslang liegen. Dabei muss man schon zugeben, dass das Wort „fucking“ sehr, sehr viel benutzt wird und vulgäre Sprache generell sehr geläufig ist. Also das typische Harry Potter British-English, das man so kennt, lerne ich hier definitiv nicht. Eine Stadt, die aber den Vogel abschießt, ist Liverpool. Den Dialekt aus Liverpool bezeichnet man als „Scouse“. Wenn wir mit Jugendlichen von dort arbeiten, muss ich doch dann öfter mal nachfragen. Ich habe euch mal zwei Videos dazu rausgesucht, eins zum Liverpool Akzent (wo ich wirklich sagen kann, ich kenne jemanden, der 100% so redet J) und eins zum Lancashire Akzent (die Provinz, in der Blackpool liegt).
https://youtu.be/UHIc3W0JW7o (Lancashire)
https://youtu.be/PKnFVt_ivg4 (Liverpool)
8. Rugby- Neben Fußball ist Rugby der angesagteste Sport in England. Mit meiner Mentorin war ich bei einem Rugbyspiel von ihrem Sohn zuschauen und das war echt wild. Über American Football, was ja ein bisschen ähnlich und noch bekannter in Deutschland ist, machen sich hier viele lustig, da einige meinen, die Footballspieler*innen seien zu sehr geschützt und abgeschwächt. Naja, das kann man über Rugby jedenfalls nicht sagen, die haben sich da echt heftig auf dem Platz fast ohne Protektoren eine Grasschlacht geliefert. Beeindruckend war jedoch der Umgang mit dem Schiedsrichter und untereinander. Trotz des doch körperlichen Sports gingen alle mega respektvoll miteinander um, was man bei so B-Junioren beim Fußball nicht immer sieht.
9. Fisherman‘s friend - kommt aus Fleetwood und hat seinen Ursprung somit 10min von Blackpool entfernt. Das war meine Überraschung der letzten Woche. Mit meiner Mentorin bin ich in ein Museum in Fleetwood über dessen Geschichte gegangen und wurde mit einer Ausstellung über Fisherman’s friend begrüßt. Fleetwood ist die nächste Kleinstadt hier und boomte früher mal als Fischerort. Tja und in diesem Fischerort wurden erstmals die Bonbons hergestellt, die es heute fast überall auf der Welt zu kaufen gibt. Spitzenreiter ist sogar Deutschland. Die einzige Fabrik, die diese herstellt, liegt übrigens immer noch in Fleetwood. Also wenn ihr das nächste Mal an der Kasse steht und die Päckchen seht, liebe Grüße, die wurden hier hergestellt.
Im Museum
Die Fabrik
10. It’s raining man - Regen, das ist das englische Wetter, wie man es kennt. Stimmt leider, muss ich sagen. Verhältnismäßig regnet es schon viel und gemischt mit gutem Wind vom Meer ist es schon oft nicht ganz so gemütlich draußen. Besonders das Wetter im Winter war echt ekelig, weil es durch das Meer nicht richtig schneit, was ja das Beste am Winter wäre. Aber inzwischen hat auch hier der Frühling angefangen, die Narzissen stehen überall und die Sonne kommt öfter raus. Für Engländer bedeutet das bei 13 Grad kurze Hose und Sonnenbrille. Man muss genießen, was man bekommt. Daher sind 13°C das neue 20°C und ab an den Strand…blöd nur, dass es jetzt gerade schon wieder angefangen hat zu regnen…
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