Hier kommt der etwas verspätete zweite Teil zu meinem Alltag im Kfar, wo ich die weiteren Aktivitäten vorstellen möchte, die hier so mein Leben füllen.
Mein Nachmittag ist in kurzer Zeit ziemlich gefüllt geworden. In unserer Mittagspause haben wir Einzeltreffen mit zwei bis drei Membern bekommen. Wir treffen uns jeweils eine Stunde in der Woche und unternehmen etwas Schönes zusammen. Das Ziel ist es, dass man etwas macht, was den Bedürfnissen des Members entspricht und über die Monate eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Ich habe zwei Member Roni und Ido.
Roni treffe ich meist montags und wir gehen zum Café Téna, um zusammen Kaffee zu trinken. Wir unterhalten uns schön und sie erzählt mir von ihrem Workshop in der Bakery. Sie ist mental und körperlich sehr fit und ich kann mit ihr flüssiges Englisch sprechen, weil sie ihre Jugend in Amerika verbracht hat. Ihre Familie hat sie auch gerade erst für einen Monat in Amerika besucht, sodass wir noch nicht so viele Treffen hatten. Wenn wir zusammen spazieren gehen, hat sie oft Angststörungen und kann oft nicht allein über unebenes Gelände gehen oder auch Stufen lassen sie zittern. Manchmal fällt es mir schwer einzuschätzen, ob es gespielt oder ernst ist. Sie weiß ganz genau, wie man Menschen um den Finger wickelt, aber sie ist trotzdem sehr liebenswert. Im Laufe des Jahres möchte ich ihr beibringen, die Uhr zu lesen und sich selber einen Zopf zu machen, weil sie beides im Alltag in der Bakery benötigt. Uns sonst schauen wir mal was sich noch so ergibt.
Den lieben Ido treffe ich immer am Donnerstag und bei ihm handelt sich das Treffen eigentlich immer um Essen. Ich habe am Anfang wirklich gar nichts verstanden, weil er kein Wort Englisch spricht und mein Hebräisch ebenso schlecht war. Die einzigen Wörter, die ich verstand, waren Café Bluma, welches unweit vom Kfar entfernt ist, Chocolat und Pizza. Ich war komplett überfordert und er hatte auch kein Nachsehen mit mir, dass ich ihn gar nicht verstand. Im Gegenteil fing er an, wütend zu werden und ist oft einfach weggelaufen. Ich war ein bisschen verzweifelt und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Zum Glück ist es in den letzten Treffen deutlich besser geworden, denn er verbindet jetzt mit mir Schokolade, Besuche bei Bluma und im Café Téna. Zudem kann ich jetzt auch schon ein bisschen mit ihm kommunizieren, was uns beide sehr glücklich macht. Und wenn er dann lächelt, ist die Welt wieder in Ordnung und ich bin erleichtert. Also machen wir uns jetzt oft auf den Weg zum Mini Market, wo wir mit seinem Wochengehalt von 20 Schekeln ~ 6,5 € Schokolade, Eis, Limonade oder auch Schokokekse für ihn einkaufen. Dann ist er überglücklich und zeigt gerne anderen Menschen seine erfolgreiche Beute. Ich hab ihn jetzt schon sehr liebgewonnen.
Am Donnerstag habe ich für eineinhalb Stunden Pferdetherapie. Ja, es gibt einen richtigen Stall mit vier hübschen Pferden und einem nervigen kleinen Pony. Am Vormittag arbeiten Member dort und versorgen diese und nachmittags kommen Member fürs Therapiereiten, den allseits bekannt: auf dem Rücken der Pferde liegt das Glück der Erde! Ich helfe bei zwei Ritten aus und meine Aufgabe ist es Shelli, der Leiterin, zu assistieren, Member auf den Pferden zu sichern oder die Pferde herumzuführen. Dabei macht Shelli dann Aufgaben mit den Membern, wie zum Beispiel Reifen auf Stangen zu stecken oder kleine Tierchen auf Ringe zu verteilen. Manchmal machen wir sogar eine Runde in die Olivenhaine, die sich direkt hinter dem Stall erstrecken. Zwischen den Therapieritten darf ich meistens auch reiten und da habe ich immer sehr viel Spaß. Auch wenn das Westernreiten ganz neu für mich ist und die Pferde dann manchmal auch nicht so wollen wie ich.
Eigentlich sollte ich auch Donnerstagvormittag immer mit ausreiten kommen, aber im Kalanit kann ich im Moment wegen der Unterbesetzung nicht fehlen.
Donnerstags und sonntags gibt es wie schon angesprochen das Café Téna für die Member und Mitarbeiter des Kfars. Dort werden Eis, Kuchen, herzhafte Quiches und allerlei leckere Getränke verzehrt. Die Bakery wird hergerichtet, sodass eine schöne Café Atmosphäre herrscht und Member bedienen die Gäste. Sie haben eine kleine Liste und nehmen die Bestellungen auf, die sie dann zu uns in den Nebenraum bringen. Die Shinshinim lesen diese laut vor, übersetzen und verteilen dann an uns die Aufgaben. In den Pausen hauen wir uns auch immer den Bauch mit den leckeren Dingen voll. Die bedienen Member rechnen auch ab und bringen das Geld zu der Workshopleiterin Yelena. Ich arbeite dort auch einmal in zwei Wochen.
Die eigentlichen Aufgaben am Nachmittag beginnen erst ab 16 Uhr, es sind die sogenannten Pnais. Pnais sind Freizeitaktivitäten, die ausschließlich von den Volos und Shinshinim meist zu zweit geleitet werden. Ich habe Tischtennis, Nähen, Computers und Joggen.
Tischtennis erklärt sich von selbst, also wir spielen mit allen die kommen, machen Matches und erstaunlicherweise können mache sogar richtig gut spielen. Nähen mache ich zusammen mit Dvash, einer Shinshinim, und wir beide lieben nähen über alles. Der Pnai findet im Kalanit statt und die Member sind eigentlich auch nur Member aus dem Kalanit. Und die sind soo süß!!! Die meisten Member sind nicht in meinem Workshop vormittags und sind sehr fit im Köpfchen. Viele könne sogar ein bisschen Deutsch sprechen und freuen sich immer auf unser gemeinsames Nähen. Dvash und ich haben uns gedacht, wir fangen erstmal ganz sachte an mit Handnähen und das klappt ganz gut. Als Nächstes werden wir anfangen, den Membern in kleinen Gruppen die Nähmaschine zu erklären. Unser großes Ziel ist es dann, eine Modenschau mit unserer eigenen Frühlingskollektion im Kfar zu veranstalten. Bei Computers kommen die Member zum Computerraum und meine Aufgabe ist es herauszufinden, was sie jeweils schauen oder hören wollen und ihnen das herauszusuchen. Eigentlich ganz entspannt, aber manchmal sind die Member nicht so geduldig und man ist etwas überfordert…
Mein vierter Pnai Joggen ist morgens in der Früh um 6:30h mit Noam, unserem Vorgesetzten, zusammen und wir laufen/ gehen mit den Membern ein paar Kilometer durch Kirjat Tivon.
Die Pnais dauern immer ein bis eineinhalb Stunden und sind teilweise auch erst nach dem Abendbrot bis 19:30h. Das ist dann manchmal ganz schön anstrengend.
Am Dienstagabend gibt es für alle Volos und Shinshinim keine Pnais. Das heißt, nach dem Abendbrot ist für alle Feierabend und dieser wird immer mit schönen Aktivitäten gestaltet. Jetzt zu Nikolaus haben wir ein großes Keksebacken mit Nikolausbesuch für die Shinshinim veranstaltet, aber oft fahren wir auch noch nach Haifa oder Ramat Yishai in eine Bar oder gehen etwas leckeres Essen. Manchmal machen wir auch einen Spieleabend oder sitzen gemeinsam zusammen und jeder bestellt sich Pizza, Eis oder sowas Schönes. Es ist immer richtig stimmungsvoll und es zieht sich meist in die Nacht hinein.
Eine weitere Aufgabe ist der Dinnerservice, wo wir zusammen mit den arabischen Mitarbeitern Essen austeilen. Die Member kommen an und haben meist auch Wünsche, die es dann herauszufinden gibt. Das Essen im Dining Room ist so cacha cacha, wie man so schön sagt, weil es wenig gewürzt ist und es relativ wenig Abwechslung gibt. Manchmal ist es aber auch sehr lecker, wenn es mal lecker Falafel oder richtig guten Salat gibt und zur Not kann mache ich mir etwas Einfaches in der Kommuna.
Irgendwie bin ich noch gefühlte tausend andere Dinge, wie Pferdefüttern, Hebräischunterricht, Chor, Kommunazeug und diverse Events, die das Leben hier ausmachen. Aber das ist im Großen und Ganzen mein Alltag. :)
Bis dann
Sophie :)
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